4Bibeln: Aufschlagen

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3:0 Luthers sprachschöpferische Leistung

3:1 Die Bibelübersetzung Martin Luthers war nicht die erste Übersetzung der Bibel ins Deutsche, jedoch trug zu ihrer Wirkungsgeschichte erheblich bei, daß gleichzeitig die Technik bereitstand, um Bibel(teil)drucke zu erschwinglichen Preisen in großer Auflage bereitzustellen.

3:2 Darüber hinaus besitzt Luthers Übersetzungswerk Qualitäten, die seine Vorgänger nicht in diesem Maße hatten.

3:3 Luthers Leistung besteht darin, dass er einerseits im Satzbau „dem Volk aufs Maul schaute“, nämlich prägnante Sätze prägte, die der gesprochenen Sprache nahe kamen, andererseits aber auch die vereinheitlichte Sprache der Kanzleien, das „gemeine Deutsch“, aufnahm, ohne deren überladenen Satzbau nachzuahmen.

3:4 Ein typischer Zug der Lutherübersetzung, der wahrscheinlich aus der Umgangssprache stammt, ist die Position des Verbs, etwa in folgendem Beispiel:

3:5 "Welcher ist vnter euch Menschen / so jn sein Son bittet vmbs Brot / der jm einen Stein biete? oder so er jn bittet vmb einen Fisch / Der jm eine Schlange biete? So denn jr / die jr doch arg seid / künd dennoch ewren Kindern gute gabe geben / Wie viel mehr wird ewer Vater im Himmel gutes geben / denen die jn bitten?" (Mt 7,9-11)

3:6 Die Normgrammatik hätte etwa folgenden, deutlich schwerer verständlichen Satzbau verlangt: "Welcher ist unter euch Menschen, der seinem Sohn, da jener ihn ums Brot bittet, einen Stein biete? Oder der ihm, so jener ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange biete? So denn ihr, die ihr doch arg seid, euren Kindern dennoch gute Gaben geben könnt, wieviel mehr wird euer Vater im Himmel denen, die ihn bitten, Gutes geben?"

3:7 Andererseits bediente sich Luther ausgiebig aus dem Schatz der antiken Stilistik und Rhetorik, und das ist natürlich nicht einfach "dem Volk aufs Maul geschaut". Berühmtes Beispiel für Luthers Sprachkunst ist das Spiel mit dem Vokal "i" in der Weihnachtsgeschichte:

3:8 "Jr werdet finden das Kind in windeln gewickelt / vnd in einer Krippen ligen." (Lk 2,12 in der Biblia Deudsch)

3:9 Luthers Bibel changierte also zwischen Umgangssprache und Literatursprache, und genau das trug zu ihrer Popularität bei.

3:10 Die Sprache Luthers war das Ostmitteldeutsche; er orientierte sich in der Wortwahl jedoch immer auf den fränkischen Raum hin (Nürnberg war ein zentraler Umschlagplatz reformatorischer Ideen), und sooft er merkte, dass ein ostmitteldeutsches Wort dort unverständlich war, ließ er es zugunsten des oberdeutschen fallen. So sagte Luther privat zwar „Mägdichen“, in seiner Übersetzung steht aber „Mägdlein“.

3:11 Luthers Bibel lieferte dem neuhochdeutschen Wortschatz etliche griffige Formulierungen, die sich jedoch teilweise vollkommen von dem betreffenden Bibelvers abgelöst haben und daher in der aktuellen Rezension der Lutherbibel oft nicht mehr zu finden sind.

3:12 Beispiel 1: Ein sprichwörtlich gewordener Beitrag aus Luthers engerer Heimat ist die Wendung „sein Scherflein beitragen“ (vgl. Lukas 21,2). Der Scherf war eine Erfurter Scheidemünze und ist z.B. im Stadtmuseum Erfurt in zahlreichen Prägungen zu besichtigen.

3:13 Beispiel 2: "Da aber Saneballat / vnd Tobia (...) höreten / das die mauren zu Jerusalem zugemacht waren / vnd das sie (= die Juden) die lücken angefangen hatten zu büssen / wurden sie seer zornig." (Neh 4,6; nach heutiger Zählung: 4,1) "Büßen" hat hier die alte Bedeutung von "ausbessern". Diese Stelle lieferte den Begriff "Lückenbüßer".

3:14 Beispiel 3: "Sie (=die Pharisäer) machen ihre Denckzedel breit." (Mt 23,5) "Denckzedel" ist Luthers Wortprägung für die jüdischen Gebetsriemen (Tefillin). Diese Stelle lieferte unserem Wortschatz die Wendung "einen Denkzettel verpassen"; obwohl diese Wortentwicklung aber das Verständnis des Mt 23,5 Gemeinten so gut wie unmöglich machte, bot die bis heute nachgedruckte Bibel-Rezension von 1912 die Lesart "Denkzettel", und noch die "Stuttgarter Jubiläumsbibel" (Lutherbibel mit Kommentar) in der durchgesehenen Auflage von 1951 vermerkt zu Ex 13,9: "Wie die späteren Juden dies Wort mißverstanden haben, s. Matth 23,5"... Die Geschichte der Lutherbibel ist zum Teil auch die Geschichte antijüdischer Stereotype; das Verständnis jüdischer Glaubenspraxis wird durch die Lutherübersetzung nicht gerade erleichtert, da eben Luther selbst für jüdische Glaubenspraxis auch nicht viel Verständnis hatte.

3:15 Luther hatte durch die weite Verbreitung seiner Übersetzung einen gewissen Einfluss auf die Entwicklung der Frühneuhochdeutschen Sprache, der jedoch lange Zeit überschätzt wurde.

3:16 Jakob Grimm urteilte sogar: „Man darf das Neuhochdeutsche in der Tat als den protestantischen Dialekt bezeichnen.“

3:17 Das gilt in Bezug auf etliche Vokabeln, die Luther neu prägte oder denen die Lutherübersetzung über ihren ostmitteldeutschen Ursprungsraum hinaus zu überregionaler Bedeutung verhalf (etwa: Lippe statt Lefze, Ufer statt Gestade, Getreide statt Korn, Ziege statt Geiß). Es gilt aber nicht in Bezug auf Luthers Rechtschreibung.

3:18 Luthers Weggefährte Johannes Bugenhagen, der als gebürtiger Pommer (daher: Pomeranus) kompetent für das Niederdeutsche war, übersetzte Luthers Werk von 1545 seinen norddeutschen Landsleuten; trotzdem trug die Autorität der Lutherübersetzung zur Verdrängung des Niederdeutschen im protestantischen Norden Deutschlands bei.

3:19 Die Beliebtheit der Lutherübersetzung führte dazu, dass katholische Theologen ihrerseits Bibeln auf den Markt brachten, die sich an der Lutherbibel orientierten, aber natürlich den Namen Luthers auf dem Titelblatt unterschlugen. Übrigens ist auch die Einheitsübersetzung als (ökumenisch entstandene) moderne katholische kirchenamtliche Übersetzung von Luthers Arbeit beeinflusst, z.B. Ps. 124,8: "Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn..." (das "steht" ist Luthers Sprache und im hebräischen Text nicht zu finden).

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